Niederösterreichische Pfadfinder und Pfadfinderinnen
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Mein Woodbadgekurs in Deutschland

„I used to be a condor, a good old condor too“ – weil diese Vögel bei uns nicht heimisch sind, musste mein Sternzeichen herhalten und ich wurde zum Stier. Wie es ist, aus der Reihe zu tanzen.


Abschlussplenum der Landesführertagung in Maria Enzersdorf. 180 Pfadfinderführer(innen) aus ganz Niederösterreich sitzen erwartungsvoll im Saal. Ausbildungsbeauftragter Hannes nimmt das Mikrofon in die Hand und im Augenwinkel erkenne ich, dass eine Gitarre geschultert wird. Es ist so weit! Hannes verkündet, dass heute drei Woodbadges verliehen werden. Ein großes Ziel ist gleich erreicht. Mein Puls wird merklich schneller. Andreas Witt, Woodbadge-Beauftragter des Verbands Christlicher Pfadfinderinnen und Pfadfinder (VCP), ist hier, meine Gruppe sitzt neben mir und hat bereits die ersten Glückwünsche ausgesprochen. Jetzt wird mein Name genannt. Ich stehe auf und gehe nach vorne. Was mir in diesem Moment durch den Kopf geht, ist schwer zu beschreiben.


Auf der heurigern LFT wurden drei Woodbadges verliehen – eines davon "made in Germany".

Vor etlichen Jahren wollte ich den Woodbadgekurs der PPÖ besuchen. Das war aber nicht möglich, da ich laut meiner Geburtsurkunde die geistige Reife dazu noch nicht besitzen durfte. In den darauf folgenden Jahren hatte ich oft wochenlange Diskussionen mit meinen Vorgesetzten, um eine weitere Woche Pfadfinder-„Urlaub“ in den Oster- oder Sommerferien zu bekommen. Endlose Versuche, meine Arbeitskollegen von der Wichtigkeit dieses Seminars zu überzeugen, verliefen im Sand. Ich gab nicht auf. Vor drei Jahren entschloss ich mich, den Kurs im Ausland zu besuchen, da die Ferien anders gestaffelt sind. Im WWW besuchte ich England. Leider war hier, wie auch in Frankreich und in der Schweiz der Kurs zu unseren Ferienzeiten. Der deutsche Verband DPSG kam aus dem selben Grund nicht in Frage. Aber beim VCP wurde der Kurs 2003 im Oktober angeboten, also außerhalb unserer Ferien.

Neue Perspektiven

Über den Tellerrand: VCP-Woodbadge-Beauftragter Andreas Witt reiste aus Hamburg an.

Während Andreas dem Plenum erzählt, wie sehr meine Teilnahme als einzige Ausländerin den Kurs bereichert hat, erinnere ich mich an das Seminar in der Burg Rieneck in bayrischen Spessart. Ja, komisch war das schon, als ich das Burgtor das erste Mal durchschritten hatte. Im Hof standen drei norddeutsche VCP-Mitglieder in ihrer „Kluft“ und unterhielten sich. Ich zog geschwind meine Uniform an und begrüßte sie. Alex und ich waren die beiden einzigen weiblichen Teilnehmer des Kurses. Schnell musste ich feststellen, dass der norddeutsche Dialekt nicht immer einfach zu verstehen ist. Meinen neuen Freunden aus dem hohen Norden ging es mit den Bayern und mir ähnlich – doch in dieser Woche konnten wir alle von einander lernen, Trennendes akzeptieren, Gemeinsames entdecken und für uns viel mitnehmen. Ich erkannte als PPÖ-Mitglied die einmalige Chance, unseren Verband gemeinsam mit den anderen Teilnehmern aus einer völlig neuen Perspektive zu betrachten.

Körperliche Grenzen

Gemeinsam gingen wir beim zweitägigen Hike an unsere körperlichen Grenzen, unterstützten uns gegenseitig beim Aufklären eines mysteriösen Mordfalls, bei dem ein Kondor die Hauptrolle spielte. Deshalb benannten wir unsere Kleingruppe nach dem Andenvogel. Im Laufe des Kurses besprachen und diskutierten wir immer wieder die unterschiedlichen Ansichten von VCP und PPÖ, wir bearbeiteten das Thema „Learning by doing“ mit Herz, Hirn und Hand, erhielten eine Einführung in die Montessori-Methoden, konnten einem Gastvortrag über Theaterpädagogik lauschen und ließen uns im „Wirtshaus im Spessart“ nieder. Außerdem definierten wir den „Kurschatten“ völlig neu und riefen eine besonders nette „Kur“ ins Leben.

Ernüchterung bei der Heimkehr

Sehr ernüchternd war die Heimkehr. Weil es bei den PPÖ damals keine Bundesbeautragten für WiWö gab, wurde ich von den beiden Sprechern der Ausbildung zu einem Gespräch eingeladen, bei dem mir eindrucksvoll gezeigt wurde, welche Folgen es hat, aus der Reihe zu tanzen. Weil der stufenspezifische Teil fehlte, sollte ich mir die Fragen zur schriftlichen Abschlussarbeit selbst stellen – eine für mich hohe psychologische Hürde. Daher konnte ich erst mit der Arbeit beginnen, nachdem die Fragen von der Bundesausbildung abgesegnet wurden. Fast hätte mich der Mut verlassen, diese Hürde zu überwinden, aber wenn ich ein Projekt beginne, dann schließe ich es auch ab.

Andreas legt das Mikrofon zur Seite und überreicht mir das Woodbadge. Ein tolles Gefühl, es geschafft zu haben! Er ist sogar aus extra aus Hamburg angereist – wie toll doch die Internationalität sein kann! Eines habe ich gelernt: Ich bin nicht den einfachsten Weg gegangen, aber nun bin ich eine der wenigen, die den Kurs im Ausland besucht haben, und das freut mich ganz besonders.

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VON OLGA WESSELY

Olga Wessely ist WiWö-Führerin in der Gruppe Tulln.